Marianische Bewegungen und Gemeinschaften

Die Fokolarbewegung

Die Entstehung der Fokolarbewegung fällt in die Zeit des Zweiten Weltkriegs und verbindet sich mit dem Namen Chiara Lubich (1920-2008), die sich am 7. Dezember 1943 in ihrer italienischen Heimatstadt Trient mit der Zustimmung ihres geistlichen Vaters durch eine persönliche Weihe Gott geschenkt hat. Ihre Entscheidung zeigte eine anziehende Wirkung auch auf ihre Freundinnen, mit denen sie sich bei damaligen Bombenangriffen auf die Stadt jeweils im gleichen Luftschutzbunker traf. Sie lasen dort gemeinsam das Evangelium und führten Gespräche, die von einer radikalen Orientierung am Evangelium geprägt waren. Besonders ergriffen hat sie die Bitte Jesu an seinen Vater: „Alle sollen eins sein“ (Joh 17,21). Chiara und ihre Gefährtinnen verstanden diesen Satz als geistliches Testament Jesu, für dessen Verwirklichung sie sich von jenem Moment an völlig einsetzen wollten. Später setzten sie ihre Begegnungen in einem Häuschen am Stadtrand fort. Daher dürfte auch die spätere Benennung der Bewegung „Fokolar“ stammen; der italienische Begriff „focolare“ bezeichnet nämlich die Feuerstelle im Haus, um die sich die Familie üblicherweise versammelte. Solche Begegnungen blieben nicht unbemerkt, denn sie fanden im Bewusstsein statt, dass dort, wo zwei oder drei im Namen Jesu versammelt sind, Jesus mitten unter ihnen ist (vgl. Mt 18,20).

Die Art dieser Begegnungen erinnerte auch an das Ideal der Heiligen Familie, in deren Mitte Jesus steht. Die beginnende Fokolarbewegung zählte zu Kriegsende bereits 500 Sympathisanten, darunter auch Männer, Laien, Priester und Ordensleute. In den fünfziger Jahren entstand bei den Fokolaren die Tradition der jährlichen Sommertreffen, genannt „Mariapoli“ – die Stadt Mariens. Die Bewegung fing an, sich weltweit zu verbreiten. Loppiano bei Florenz wurde zum internationalen Zentrum. Dort begann auch die Veröffentlichung der Zeitschrift „Città Nuova” im eigenen gleichnamigen Verlag. Im Jahre 1962 erhielt das „Werk Mariens“ – so der offizielle deutsche Name der Fokolarbewegung – die päpstliche Bestätigung. In Rocca di Papa bei Rom wurde ein Jahr später das „Mariapoli-Zentrum“ errichtet, welches zur Ausbildung der Mitglieder dient.

Die Spiritualität der Bewegung ist vom Begriff „Einheit“ geprägt, die im Sinne Jesu zu verstehen ist. Diese Einheit baut auf Gott, der Liebe ist. Durch ihre gegenseitige Liebe verwirklichen die Menschen das Testament Jesu, indem sie sich um Jesus versammeln und eine Liebesgemeinschaft bilden. Das Bestreben der Gründerin war es, Möglichkeiten zu schaffen, damit diese Spiritualität der Einheit nicht bloße Theorie bleibt, sondern Wirklichkeit werden kann. Deshalb startete sie zahlreiche Initiativen im politischen, wirtschaftlichen, religiösen und ökumenischen Bereich, durch welche sich die Fokolare an der Schaffung einer neuen Menschheit und einer besseren Welt beteiligen wollen. Dabei hatte Chiara Maria als Vorbild vor Augen: Maria, die auf das Wort Gottes hört, diesem Wort gehorcht und so den Willen Gottes erfüllt, indem sie der Welt Christus schenkt; sie stellt sich selbst nicht in den Vordergrund, sondern überlässt Jesus den ersten Platz. Die Mutter Gottes wirkt in der fokolarinischen Spiritualität als eine Herausforderung, insofern es gilt sie nachzuahmen als jene, die sich bereit erklärt hat, Christus der Welt zu schenken. Chiara war überzeugt, dass jeder Mensch wie Maria ein Christusbringer werden kann: „Wir haben Maria als Modell verstanden, wir sollten sein wie sie, ja, jeder von uns könnte Maria sein“.

Das Werk Mariens besteht aus vielfältigen Gruppierungen, welche Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Familien, Priester, Ordensleute und Bischöfe einschließen. Die Mitgliedschaft hat unterschiedliche Formen, die von einer sympathisierenden Beteiligung an den fokolarinischen Initiativen bis hin zu einer radikalen Bindung durch Gelübde reichen. Weltweit gibt es ca. 140.000 offizielle Mitglieder. An der Spitze der Bewegung steht immer eine Frau, die von einem Priester als zweitem Vorsitzenden in ihrem Leitungsdienst unterstützt wird. Die territoriale Struktur des Werkes Mariens besteht aus den sogenannten Zonen, die jeweils einen Verantwortlichen haben. Obwohl die Bewegung einen katholischen Ursprung hat, versammelt sie heute Menschen unterschiedlicher Konfessionen und Religionen, ja sogar Menschen, deren Weltanschauung sowohl religiös als auch nicht-religiös sein kann. Diese Regelung in den Statuten der Fokolarbewegung hat im Jahre 2007 auch der Vatikan anerkannt.

fr. Fero M. Bachorík OSM