Marienfeste

Fest Mariä Geburt (8. September)

 

Anna Selbdritt (Maria, das Jesuskind, Mutter Anna); Paul Honegger (um 1785), Servitenkirche Innsbruck
Die Geburt eines Menschen ist Ankündigung neuen Lebens, neuer Hoffnungen. Viele Fragen und Erwartungen, aber auch Sorgen im Bezug auf das geborene Kind wachen im Herzen seiner Eltern und Verwandten auf. Die Zeit geht weiter, das Kind wächst, doch von Jahr zu Jahr kehrt man zu diesem Ereignis des Geborenseins instinktiv zurück: man feiert den Geburtstag; für manche ein Grund zur Freude, für andere zur Verzweiflung. Der Unterschied zwischen den beiden beruht darin, ob es einem gelungen ist seinen Lebenssinn zu entdecken oder nicht. Fest steht nämlich die alte Überzeugung, dass kein Mensch in diese Welt zufällig gesandt wurde. Auch der Psalmist ist sich dieser Tatsache bewusst und mit Dankbarkeit besingt er seine Entstehung: „Du hast mein Inneres geschaffen, mich gewoben im Schoß meiner Mutter. Ich danke dir, dass du mich so wunderbar gestaltet hast. Ich weiß: Staunenswert sind deine Werke. Deine Augen sahen, wie ich entstand, in deinem Buch war schon alles verzeichnet; meine Tage waren schon gebildet, als noch keiner von ihnen da war“ (Ps 139). Unter diesem Blickwinkel wollen wir auch das Geburtsfest Mariens betrachten.



Entstehungsgeschichte des Festes

Nur drei Geburtsfeste werden in der Kirche liturgisch gefeiert: Geburt Christi, des Täufers und Mariens. Während die kanonischen Evangelien die Geburtsgeschichte Christi und des Täufers erzählen, sagen sie nichts über die Geburt Mariens. Erst der Autor des apokryphen Protoevangeliums des Jakobus (2. Jhdt. n. Chr.) hat sich mit seiner Vorstellungskraft bemüht, etwas mehr über das Leben Mariens zu berichten, so z.B. auch die Namen ihrer Eltern Joachim und Anna.

Die Kirche "St. Anna" am Fuße des Tempelberges in Jerusalem
Die eigentlichen Anfänge des Festes gehen jedoch in das 5. Jhdt. zurück, als die Kreuzritter in Jerusalem die heutige Anna-Kirche (vorher Kirche Mariä Geburt) an der Stelle errichtet haben, wo ihrer Vermutung nach das Haus von Joachim und Anna stand. Von hier an begann auch die Verehrung der Geburt Mariens. In der römischen Kirche beheimatete sich das Fest im Laufe des 7. Jahrhunderts. Der Papst Sergius I. (+701) führte für dieses Fest eine Prozession ein. Dazu ordneten im Jahre 1243 Inozenz IV. eine Oktave und im Jahre 1374 Gregor XI. eine Vigilfeier an. Diese Anordnungen wurden im Jahre 1913 von Pius X. rückgängig gemacht. Die Kirche feiert dieses Fest am 8. September. Dieses Datum soll an die Einweihung der Kirche Mariä Geburt in Jerusalem erinnern. Von ihm aus wurde auch das Datum des Hochfestes Mariä Empfängnis festgesetzt.

Zum geistlichen Inhalt dieses Festes

Der Eröfnungsvers zur Eucharistiefeier am 8. September nennt uns den Grund dieses Festes: „Voll Freude feiern wir das Geburtsfest der Jungfrau Maria, aus ihr ist hervorgegangen die Sonne der Gerechtigkeit, Christus, unser Gott.“ Die Kirche freut sich über die Geburt Mariens, weil sie ihrer Berufung, Mutter des Erlösers zu werden, freiwillig zustimmte und der Schöpfung damit neue Hoffnung vermittelte. In diesem Sinne stellt die Liturgie zwei Auswahllesungen frei. Sie verkünden: Jene, die sich aus Liebe zu Gott von ihm berufen lassen, werden an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilhaben (Röm 8,28-30) und der Sohn der Gebärenden ist für sein Volk Sicherheit und Friede (Mi 5,1-4). Im Mittelpunkt steht wiederum der Sohn, in dem wir das Leben haben. Maria wurde geboren, um eben dieses LEBEN zu gebären. Das Tagesevangelium vom Stammbaum Jesu Christi (Mt 1,1-16.18-23) bringt diesen Gedanken auch zum Ausdruck. Durch die Generationenaufzählung und die Verkündigungsgeschichte soll sichtbar werden, dass die Ankunft des Erlösers in diese Welt, im Vergleich zu den anderen Geborenen, auf eine übernatürliche Weise zustande kam. Diesem Geheimnis der Geburt Christi geht das Geheimnis der Geburt Mariens voraus, das die Kirche nun feiert. Denn Maria ist die „Morgenröte des Heils und das Zeichen der Hoffnung für die ganze Welt“, wie es im Schlußgebet heißt. Dazu war sie erwählt und berufen. Dies soll aber nicht den Eindruck erwecken, dass unsere Lebenserwählung bzw. –berufung minderwertiger ist als die der Maria. Wie schon erwähnt, niemand von uns ist in dieser Welt zufällig erschienen. Deshalb erinnert uns die Kirche daran, dass jeder von uns auch dazu berufen ist, in seinem Lebens- und Wirkungsbereich Christus zu gebären, d.h. ihn der Welt sichtbar zu machen.

fr. Fero M. Bachorík, osm